E-raamat: Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft

Johann Gottfried Herder hat 1799, achtzehn Jahre nach dem Erscheinen der Ā»Kritik der reinen VernunftĀ«, eine umfangreiche und scharfe Kritik von Kants theoretischem Hauptwerk verfasst. Sie stellt zugleich eine reiche Stellungnahme zu seinem eigenen Denken dar und weist ihn als eigenstƤndigen Metaphysiker und Erkenntnistheoretiker aus.Herder, der zeit seines Lebens Kant als Lehrer rĆ¼hmte, stand dessen Ā»kopernikanischer WendeĀ« mit tiefer Skepsis gegenĆ¼ber. Er sah im vorkritischen Kant den besseren Philosophen und lehnte Kants kritische Transzendentalphilosophie mit ihrer geltungstheoretischen Bevorzugung des Subjekts ab. In vielem geht Herder aber Ć¼ber Kant hinaus und erscheint heute Ć¼berraschend modern, so in der VerknĆ¼pfung von Erkenntnis- und Sprachtheorie, des geschichtlichen und interkulturellen Denkens mit metaphysischem, wertuniversalistischem Denken und in der Kritik der mechanistischen Naturwissenschaft und subjektzentrischen Philosophie der Neuzeit. Wenige haben eine so entschlossene und scharfe Analyse von Kants Theoremen durchgefĆ¼hrt wie er.Herders Ā»MetakritikĀ« erntete in ihrer Zeit nur wenig Aufmerksamkeit und eher verstƤndnislose Kritik, fĆ¼r die Ausgestaltung der Systeme des deutschen Idealismus und die Philosophiegeschichte des 19. wie 20. Jahrhunderts blieb sie weitgehend folgenlos. Mehr als andere bedeutende Denker der Geistesgeschichte leidet das Bild Herders bis heute unter zahlreichen Stereotypen. Sein Werk erfreut sich inzwischen aber einer zunehmenden Aufmerksamkeit. Er wird nicht mehr Ā»nurĀ« als Geschichts-, Sprach- oder Kulturphilosoph wahrgenommen, sondern auch als bedeutender Erkenntnistheoretiker und Metaphysiker.